Kambodscha – Mikrofinanz in der Debatte

Oikocredit beschäftigt sich seit vielen Jahren intensiv mit den Entwicklungen im kambodschanischen Mikrofinanzmarkt. Heute leben immer noch 18 Prozent der KambodschanerInnen unterhalb der nationalen Armutsgrenze. Wir sehen die Aufgabe von Oikocredit darin, das Leben wirtschaftlich benachteiligter Menschen in Kambodscha zu verbessern, indem wir ihnen Zugang zu verantwortungsvollen Finanzdienstleistungen ermöglichen. Dafür arbeiten wir eng mit sorgfältig ausgewählten Mikrofinanzorganisationen zusammen, die mit den Werten und sozialen Zielen von Oikocredit übereinstimmen und sich zu hohen Standards beim KundInnenschutz verpflichten.  

Die von Oikocredit finanzierten Mikrofinanzorganisationen vergeben Klein- und Kleinstkredite an Menschen mit geringem Einkommen, die keinen Zugang zum regulären Bankensystem haben. Nur 33 Prozent der Erwachsenen auf dem Land haben ein Konto bei einer Bank oder einem anderen Finanzdienstleister. Verantwortungsvolle Mikrofinanzierung ist daher ein wichtiges Instrument für die wirtschaftliche Stärkung wirtschaftlich benachteiligter Menschen, insbesondere in ländlichen Gebieten. 

Wir überprüfen die Wirkung unserer Aktivitäten in Kambodscha regelmässig. Unsere Studien stellen eine überwiegend positive Auswirkung von Mikrokrediten für die dortige Bevölkerung fest. Die zugrundeliegende Methodik und Ergebnisse können Sie unter anderem nachlesen in unserem aktuellen Wirkungsbericht sowie in unseren Endkundenstudien von 2021 und 2022 (Englisch). Eine unabhängige Studie des Instituts für Entwicklung und Frieden (INEF) der Universität Duisburg von Mai 2022 hat unsere Ergebnisse bestätigt: Über 82 Prozent der kambodschanischen KreditnehmerInnen bewerten Mikrokredite positiv. Zugleich nannten 95 Prozent der Befragten den Umgang der MitarbeiterInnen von Mikrofinanzinstituten (MFIs) ihnen gegenüber als freundlich und respektvoll. 0,1 Prozent der Befragten bezeichneten den Umgang als unfreundlich und respektlos.

Gleichzeitig beobachten wir aufmerksam die hohen Verschuldungsraten und die Marktsättigung in manchen Regionen Kambodschas. Lange vor dem Aufkommen negativer Meldungen über eine potenzielle Überschuldung im Markt im Jahr 2019 hat Oikocredit bereits Überschuldungsstudien durchgeführt (2012 und 2017). Ebenso lange unterstützen wir unsere Partnerorganisationen durch Schulungen und Beratung bei der Stärkung ihrer Kundenschutzmassnahmen. So setzen wir uns seit vielen Jahren für eine verantwortungsvolle Mikrofinanz in Kambodscha ein. 

Kambodscha als Markt für Oikocredit

  • Wieso engagiert sich Oikocredit in Kambodscha?

    In Kambodscha leben ungefähr 16,7 Millionen Menschen. Durch Wirtschaftswachstum hat sich Kambodscha in den letzten Jahren dem Status eines Landes mit mittlerem Einkommen genähert. Dennoch leben immer noch rund 3 Millionen KambodschanerInnen (18% der Bevölkerung) unterhalb der nationalen Armutsgrenze (umgerechnet 2,70 USD pro Tag) und sind gefährdet, weiter in die Armut abzurutschen.

    Wir sehen eine Aufgabe für Oikocredit darin, einkommensschwachen Menschen in Kambodscha den Zugang zu verantwortungsvollen Finanzdienstleistungen und somit Möglichkeiten zu eröffnen. Hierfür arbeiten wir mit sorgfältig ausgewählten Partnern zusammen, die unsere Werte und sozialen Ziele teilen und sich zu hohen Standards beim KundInnenschutz verpflichten.

    Als privatwirtschaftlicher Akteur arbeitet Oikocredit mit der Privatwirtschaft und der Zivilgesellschaft in einem Land zusammen, in dem ein Bedarf und eine Nachfrage nach verantwortungsvoller Mikrofinanzierung besteht. In der Vergangenheit wurde der kambodschanische Finanzsektor nach dem Fall des Roten Khmer Regimes von internationalen Entwicklungsfinanzierungsinstitutionen wie der Weltbank, der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KFW) oder der der niederländischen Entwicklungsbank FMO aufgebaut, was für internationale InvestorInnen ein gewisses Vertrauen in Bezug auf potenzielle Korruption bedeutet.

  • Stimmt es, dass Oikocredit trotz der Probleme in Kambodscha seine Investitionen dort erhöht hat? Wenn ja, warum?

    Tatsächlich blieb Oikocredits Portfolio in Kambodscha über die Jahre relativ stabil. Unser Ziel war es immer, den Menschen in Kambodscha mit verantwortungsvollen Finanzdienstleistungen zu dienen. Unsere Due-Diligence-Prüfungen, unsere Besuche vor Ort und Gespräche mit MitarbeiterInnen und EndkundInnen zeigten uns, dass unsere Partner den Kundenschutz institutionalisiert haben und dass die sehr grosse Mehrheit der EndkundInnen mit den Dienstleistungen unserer Partnerorganisationen zufrieden ist.

    Gleichzeitig haben wir stets die Marktrealitäten im Auge behalten und aufgrund der hohen Wachstums- und Sättigungsraten unseren Partnern neben Finanzierung auch Schulungen, Kapazitätsaufbau und Beratung angeboten, um eine verantwortungsvolle Weiterleitung unserer Mittel in Form von Mikrokrediten sicherzustellen.

  • Stimmt es, dass es zu viele Mikrofinanzorganisationen in Kambodscha gibt?

    Es gibt 84 lizenzierte, das heisst von der Zentralbank regulierte Mikrofinanzorganisationen in Kambodscha. Oikocredit hat aktuell aktive Partnerschaften mit sieben sorgfältig ausgewählten Partnern.

    Ein grosses Problem in Kambodscha ist der grosse informelle Sektor mit unseriösen Geldverleihern und Kredithaien, die nicht Teil des regulierten Finanzsektors sind. Diese bewegen sich in einem undurchsichtigen Bereich des Finanzsektors ohne Kontrollen und Kundenschutz.

Mikrofinanz als Instrument der Armutsbekämpfung

  • Ist die Mikrofinanzierung überhaupt als Mittel zur Armutsbekämpfung geeignet?

    Wir sind überzeugt, dass Mikrofinanzierung ein wichtiges Instrument zur nachhaltigen Entwicklungsförderung ist. Mikrokredite sind kein Allheilmittel, und Mikrofinanz kann weder staatliche Sozialleistungen ersetzen noch allein für globale Gerechtigkeit sorgen. Aber eine verantwortungsvolle Mikrofinanzierung trägt dazu bei, wirtschaftlich benachteiligten Menschen die Möglichkeit zu geben, ihr Leben eigenständig zu gestalten und ihre Lebensbedingungen zu verbessern.

    Für uns bedeutet verantwortungsvolle Mikrofinanz:

    • Eine umsichtige Auswahl der Partner und eine enge Zusammenarbeit sind von Anfang an unerlässlich. Oikocredit hat ESG-Scorecards zur Bewertung entwickelt, die als Instrumente fester Bestandteil unserer Unternehmensanalyse potenzieller Partnerorganisationen sind: Umweltfaktoren (Environmental), Sozialstandards (Social) und Corporate Governance (Unternehmensführung) – einschliesslich einer Scorecard speziell für Finanzinstitutionen. Dies ist ein wichtiger Schritt, um sicherzustellen, dass die richtigen Zielgruppen/Kunden mit verantwortungsvollen Produkten und Dienstleistungen erreicht werden.
    • Um die Überschuldung von MikrokreditnehmerInnen zu verhindern, stellt Oikocredit strenge Anforderungen an die finanzierten Mikrofinanzorganisation:
      • Sie müssen ihre KundInnen transparent und verständlich über die Kreditbedingungen informieren und durch sorgfältige Prüfung klären, ob die AntragstellerInnen in der Lage sind, die Mikrokredite zurückzuzahlen.
      • Verantwortungsvolle Mikrofinanzierung bedeutet auch, dass die Rückzahlungen verantwortungsvoll eingezogen werden, dass der Datenschutz gewährleistet ist, dass hohe Standards im Umgang mit den KundInnen eingehalten werden und dass diese die Möglichkeit haben, Beschwerden einzureichen. Oikocredit hat jetzt auch einen eigenen Beschwerdemechanismus eingerichtet: Beschwerde - Oikocredit International.
      • Diese und andere Massnahmen zum Schutz der KreditnehmerInnen sind in den Kundenschutzrichtlinien (Client Protection Principles - CPP) festgelegt. Oikocredit unterstützt die Kundenschutzrichtlinien seit ihrer Einführung im Jahr 2009. Diese strengen Oikocredit-Richtlinien sind für unsere Mikrofinanzpartner verbindlich und werden in alle Kreditverträge mit ihnen aufgenommen.
    • Überprüfung unserer Wirksamkeit: Wir messen regelmässig die Wirkung unserer finanziellen und nichtfinanziellen Aktivitäten auf Partnerorganisationen und EndkundInnen. Die zugrunde liegende Methodik und die Ergebnisse können Sie in unserem aktuellen Wirkungsbericht nachlesen. Seit 2021 führen wir ausserdem ausführliche Endkundenbefragungen (Englisch) mit Partnerorganisationen durch. Im Jahr 2022 befragten 19 unserer Partnerorganisationen 16.500 KundInnen in zwölf Ländern, darunter auch Kambodscha. Auf Basis der Rückmeldungen und Sichtweisen von KundInnen können Finanzdienstleister ihre Produkte und Dienstleistungen zukünftig noch besser an den Bedürfnissen ihrer KundInnen ausrichten und deren Schlüsselthemen eruieren.

Oikocredits Position bezüglich der in den Medien verbreiteten Vorwürfe

  • Es gibt seit Jahren Vorwürfe bezüglich Missständen. Was hat Oikocredit unternommen? 

    Wir haben seit 2012 viel getan  aber wenig darüber kommuniziert. Hier ist eine Zusammenfassung unseres Engagements für verantwortungsvolle Mikrofinanzierung in Kambodscha: 

    • Die Auswahl der Partner ist für Oikocredit in allen Ländern, in denen wir tätig sind, von zentraler Bedeutung. Wir wählen, prüfen und kontrollieren unsere Partner sorgfältig, um sicherzustellen, dass sie mit unseren Werten und sozialen Zielen übereinstimmen. (Mehr dazu im Video von Oikocredit zur Partnerauswahl) Wir unterstützen unsere Partner auch dabei, diese Ziele zu erreichen. Von den über 80 zugelassenen MFI in Kambodscha arbeitet Oikocredit derzeit mit sieben ausgewählten Partnern im Land zusammen. 

    • Oikocredit verlangt von allen Partnern im Bereich des inklusiven Finanzwesens, dass sie die verbindlichen Kundenschutzrichtlinien anerkennen und befolgen, eine Bewertung ihrer Praktiken in diesem Bereich durchführen und bei Bedarf einen Aktionsplan zur Verbesserung von Schwachstellen und zur Schliessung von Lücken entwickeln, von einer unabhängigen Stelle zertifiziert. 

    • Wir haben 2012 und 2017 zwei Studien mitinitiiert beziehungsweise finanziert, die speziell potenzielle Überschuldung im Mikrofinanzsektor untersucht haben. Die Studie von 2012 zeigte, dass das grösste Risiko für Überschuldung unter EndkundInnen die mehrfache Aufnahme von Mikrokrediten ist. Die Studie von 2017 zeigte zudem: Es gibt hohe Kredit-, Wachstums- und Verschuldungsquoten in Kambodscha. Beide Studien kamen zu dem Ergebnis, dass es Bereiche und Segmente gibt, die noch keinen guten Zugang zu Mikrofinanzierung, aber einen Bedarf an Investitionskapital haben zum Beispiel im Bereich der Landwirtschaft, insbesondere bei KleinbäuerInnen. Seitdem haben unsere Partner ihre Reichweite in ländlichen Gebieten strategisch ausgebaut. Im Dezember 2022 waren 87 Prozent der kambodschanischen Oikocredit-KundInnen in der Landwirtschaft und anderen der Landwirtschaft nahen Erwerbszweigen tätig.  

    • Als Ergebnis dieser Überschuldungsstudien hat Oikocredit seit 2012 auch Beratungs- und Schulungsprogramme durchgeführt, so etwa Risikomanagement-Schulungen für Mikrofinanzorganisationen mit Schwerpunkt KundInnenenschutz, landesweite Fernseh- und Radiokampagnen zur finanziellen Bildung und insbesondere zur Sensibilisierung der Bevölkerung für Überschuldungsrisiken. 

    • Ebenso beteiligte sich Oikocredit 2012 an der Diskussion über die Vorteile eines nationalen Kreditbüros und setzte sich erfolgreich für dessen Einrichtung ein. Ein nationales Kreditbüro ist ein Schlüsselelement zur Verhinderung von Überschuldung, da es prüfen kann, ob eine Kundin oder ein Kunde bereits einen laufenden Kredit bei einer anderen Institution hat. Wenn dies der Fall ist, wird der neue Kredit nicht genehmigt. Ein Kreditbüro sorgt also für mehr Transparenz und Kundenschutz im Sektor. 

    • Und 2018 beteiligte sich Oikocredit an der Entwicklung nationaler Kreditvergaberichtlinien (Englisch) für eine stärkere Regulierung des Sektors und einen verbindlichen Kundenschutz. Oikocredit machte diese Kundenschutzrichtlinien von Anfang an für alle Partner verbindlich. Erst 2022 wurden sie für den Sektor offiziell. Mikrofinanzorganisationen sind verpflichtet, Kundendaten bei der Kreditvergabe unverzüglich an das nationale Kreditbüro weiterzugeben. Leider sind informelle GeldverleiherInnen nicht in dieses System eingebunden und stellen daher ein hohes Risiko für den Sektor dar. 

    • Mit dem LICADHO Bericht „Collateral Damage“ aus dem Jahr 2019, der erstmals einige unserer Partner namentlich mit Vorwürfen von Menschenrechtsverletzungen aufgrund von Überschuldung in Verbindung brachte, konfrontierten wir unsere Partner mit diesen Vorwürfen. Oikocredit war vor Ort und steht seitdem in engem Austausch mit den Partnern, um diese Vorwürfe zu klären. Unsere Nachforschungen haben die Vorwürfe nicht bestätigt. 

    • Zwischen April 2021 und April 2022 haben wir mit zwei Partnern vor Ort zusammengearbeitet und 902 ihrer KundInnen zu den Veränderungen befragt, die sie nach dem Erhalt eines Mikrokredits in ihrem Leben erfahren haben. Die überwältigende Mehrheit gab an, dass sich der Mikrokredit in den letzten 12 Monaten positiv auf ihr Leben ausgewirkt habe. 

    • Wir arbeiten nicht nur eng mit unseren Partnern in Kambodscha zusammen. Oikocredit stimmt sich auch mit anderen Kreditgebern im kambodschanischen Mikrofinanzsektor ab. Die Geschäftsführerin von Oikocredit International, Mirjam 't Lam, nahm unter anderem an einem Branchentreffen teil, das die deutsche Botschaft in Phnom Penh im Mai dieses Jahres veranstaltete.

  • Was ist dran an den Vorwürfen, dass Menschen aufgrund von Überschuldung Selbstmord begangen haben?

    Zum jetzigen Zeitpunkt sind die Fälle noch nicht von unabhängiger Seite untersucht worden, so dass wir diese Frage nicht beantworten können. Wir nehmen die Anschuldigungen der NRO jedoch sehr ernst. Wir fühlen uns unserem sozialen Auftrag zutiefst verpflichtet und tun unser Möglichstes, um das in uns gesetzte Vertrauen zu erhalten. Unter keinen Umständen nehmen wir Menschenrechtsverletzungen hin. Als Genossenschaft setzen wir uns seit fast 50 Jahren für eine gerechtere Welt ein. Wir investieren gezielt in sozial orientierte Unternehmen, damit wirtschaftlich benachteiligte Menschen ihre Lebensqualität nachhaltig verbessern können. 

    Wir legen bei unserer Arbeit höchste Qualitätsstandards an. Die soziale Wirkung hat für uns oberste Priorität. Deshalb legen wir grossen Wert auf eine umfassende und gründliche Due-Diligence-Prüfung. Das bedeutet, dass wir unsere Partnerorganisationen sorgfältig nach wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Kriterien auswählen. Bei der Auswahl unserer Partner achten wir unter anderem auf eine verantwortungsvolle Unternehmensführung sowie Sozial- und Umweltstandards. (Mehr dazu im Video von Oikocredit zur Partnerauswahl) 

    Wir arbeiten in Kambodscha nur mit Partnerorganisationen zusammen, die sich an die nationalen Kreditvergaberichtlinien des kambodschanischen Mikrofinanzverbands CMA (Englisch) halten. Diese Richtlinien wurden 2018 mit Unterstützung von Oikocredit als Ergebnis unserer Überschuldungsstudie entwickelt. Wir haben die Einhaltung dieser Leitlinien seit 2018 für alle unsere Partner verpflichtend gemacht, lange bevor die Zentralbank sie 2022 für alle Finanzinstitute in Kambodscha  verbindlich machte. Des Weiteren wenden unsere Partner höchste Standards an bei der Vermeidung von Überschuldung, der Gewährleistung von Transparenz und dem Kundenschutz. Wir verlangen von allen unseren sieben Partnerorganisationen in Kambodscha, dass sie das unabhängige Kundenschutzzertifikat Client Protection Principles CPP (Englisch) erwerben.

  • Wurden EndkundInnen durch Angestellte von Oikocredit Partnerorganisationen bedroht oder eingeschüchtert?

    Wir können diesen Vorwurf nicht bestätigen. Oikocredit verfolgt eine Null-Toleranz-Politik gegenüber aggressivem Verhalten von Mitarbeitenden oder Partnerorganisationen, und wir erwarten von unseren Partnern, dass sie dies auch durchsetzen. Wir bemühen uns dabei auch nach Kräften, mögliche Fälle von Fehlverhalten in offenen und direkten Gesprächen mit unseren Partnern zu untersuchen.

  • Warum hat Oikocredit keine unabhängige Studie zeitnah zu den Vorwürfen in Auftrag gegeben? 

    Wir haben diese Option mit anderen Impact-Investoren diskutiert und sind damals zu dem Schluss gekommen, dass wir die Vorwürfe zunächst direkt mit unseren Partnerorganisationen besprechen sollten.   

    Eine unabhängige INEF-Studie wurde 2020 vom BMZ in Auftrag gegeben und 2022 durchgeführt. Die Studie betonte, dass Mikrofinanzierung für viele KambodschanerInnen überwiegend positive Auswirkungen hatte; sie stellte aber auch viele Missstände im Sektor fest und gab Empfehlungen für alle Akteure des Sektors. Einige dieser Empfehlungen wurden bereits umgesetzt, zum Beispiel gibt es nun direkte, anonyme Beschwerdemechanismen, über die KundInnen Fehlverhalten melden können.

Land als Sicherheit im Mikrofinanzwesen

  • Stimmt es, dass Oikocredits Partnerorganisationen Land als Kreditsicherheit nehmen?

    Grundstücke, Gehälter oder Konsumgüter werden häufig als Sicherheiten verlangt, je nach Höhe des Kredits. Dies ist eine gängige Praxis bei Mikrofinanzorganisationen weltweit. Die meisten unserer Partnerorganisationen in Kambodscha verlangen Land als Sicherheit erst ab einer Kreditsumme von 2.000 oder 3.000 Euro.   

    In diesem Zusammenhang ist es auch wichtig zu verstehen, dass Landsicherheiten nicht die Ursache für eine mögliche Überschuldung sind. Ursache sind Zahlungsschwierigkeiten, die durch falsch berechnete Kreditbeträge, die Aufnahme von Mehrfachkrediten oder Schicksalsschläge entstehen können. 

    Der erste Schritt unserer Partnerorganisationen im Falle von Zahlungsschwierigkeiten ist immer das Gespräch mit dem Kunden oder der Kundin. Ziel ist es dabei, den Kredit entsprechend der jeweiligen Zahlungsfähigkeit umzustrukturieren, das heisst Laufzeiten und Rückzahlungsbeträge anzupassen. Oikocredit schult und unterstützt die Partner in der Anwendung ethischer Praktiken, wenn es um Rückzahlungsschwierigkeiten geht. 

    Um Überschuldung zu verhindern, setzt sich Oikocredit in Kambodscha seit vielen Jahren für einen besseren Kundenschutz ein. So beteiligte sich Oikocredit bereits 2012 an der Diskussion über die Einrichtung eines nationalen Kreditbüros, das verhindern soll, dass eine Person mehrere Kredite aufnimmt. Mit unseren Partnerorganisationen haben wir wiederholt Schulungen für KreditsachbearbeiterInnen zum Thema verantwortungsvolle Mikrofinanzierung durchgeführt. Auf Landesebene haben wir eine Fernseh- und Radiokampagne zur finanziellen Bildung der Bevölkerung durchgeführt.

  • Haben Menschen tatsächlich ihr Land verloren, weil sie einen Kredit an Partnerorganisationen von Oikocredit nicht zurückzahlen konnten?

    Die Informationen über Landenteignungen stammen von lokalen Menschenrechtsorganisationen. Wir können dies bisher nicht bestätigen.   

    Auch die unabhängige INEF-Studie konnte nicht bestätigen, dass Land beschlagnahmt wurde: "Erstens gibt es dafür keine Rechtsgrundlage... und zweitens wird auch der indirekte Weg, die Schuldner über die Gerichte zum Verkauf des Landes zum Zwecke der Kreditrückzahlung zu zwingen, von einigen [Mikrofinanzorganisationen] selten oder gar nicht genutzt. Die befragten Dorfvorsteher gaben an, dass ihnen keine Fälle bekannt seien, in denen dies dennoch geschehen sei, und die Gemeindevorsteher wüssten praktisch von keinem Fall." (p. 98) 

    Die Studie stellt ferner fest, dass die Landpreise in Kambodscha in den letzten Jahren stark gestiegen sind und dass "in vielen Fällen der Landverkauf die wirtschaftliche Situation der Endkunden nicht ruiniert hat" (S. 99).

  • Warum gibt es keinen Fonds für ausländische InvestorInnen, der überschuldeten KreditnehmerInnen bei der Rückzahlung ihrer Kredite hilft?

    Unsere Erfahrung zeigt, dass im Falle einer Insolvenz andere Mechanismen sinnvoller sind, etwa eine Umschuldung. Das heisst, wenn jemand nicht in der Lage ist, einen Kredit zurückzuzahlen, wird die Kreditlaufzeit oder die Höhe der Rückzahlungen entsprechend angepasst. Es gibt tatsächlich auch Mechanismen, dass Kredite abgeschrieben werden, wie es zum Beispiel bei der Corona-Pandemie der Fall war. Eine nachhaltige, integrative Finanzierung sollte jedoch nicht auf dem Erlass von Krediten oder Spenden beruhen, sondern auf dem Prinzip der Hilfe zur Selbsthilfe und einer verantwortungsvollen Praxis.